Kirchenfenster von Marianne Aatz

Mit freundlicher Genehmigung von Bernd Schröder (Förderverein Stadtmuseum Wadern)

Die Fenster auf der Südseite
Ihr Thema ist das Leben Jesu, dessen Stationen durch Symbole verdeutlicht werden, zu deren Entschlüsselung man etwas Geduld mitbringen sollte. Leicht zu deutende Symbole sind beispielsweise Krüge für die Hochzeit von Kana oder Brot und Fische für die Speisung der Fünftausend. Auch dass Jesus in jedem Fenster als hellblaues Kreuz erscheint, lässt sich relativ rasch erkennen. Die klugen und die törichten Jungfrauen sind durch sechs brennende und sechs erloschene Öllampen gekennzeichnet. Überraschend ist dagegen, dass die Apostel im fünften Fenster als zwölf Vögel (Tauben?) dargestellt werden, beim Abendmahl jedoch als elf weiße Kreuze und eine Schlange (Judas) rund um das weiße Tischtuch versammelt sind. Im Garten Gethsemane bilden die elf verbliebenen Apostel mit ihren Kreuzen ein Gitter, das jedoch weder den dunklen Hintergrund der Angst noch die darüber schwebende rot-orange Sonne der Liebe des Vaters verdecken kann.

Die Fenster sind jeweils zu sechst in drei Gruppen angeordnet. Farblich und in der Formgebung sind sie auf den ersten Blick sehr ähnlich, was der gesamten Südwand eine große Geschlossenheit verleiht. Der Bildhintergrund besteht aus eckigen Scheiben. Darüber schlingt Marianne Aatz weit schwingende Bänder, mit rundlichen Feldern grenzt sie einzelne Bezirke aus. Felder und Bänder überschneiden sich vielfach, nicht nur innerhalb der einzelnen Fenster, sondern über die ganze Fenstergruppe hinweg, die sie damit jeweils zu einem Ganzen verbinden. Die Bedeutung der verbindenden Bänder und Schleifen nimmt im Laufe der Darstellung zu: In der westlichen Fenstergruppe wird dieses Ausdrucksmittel noch sehr kleinformatig eingesetzt und es gibt nur wenige, dünne fensterüberspannende Bänder. In der mittleren Fenstergruppe sind die Bänder schon breiter und überspannen bis zu drei Fenster. Die rot-orange Sonne schafft auch eine deutliche vertikale Verbindung zwischen den Fenstern 7 und 10. Dieselbe Sonne wird in der östlichen Fenstergruppe riesig: Alles Geschehen ist Ausdruck der Liebe Gottes, die mächtiger ist als die Schlange in Fenster 14, deren Pläne durch Jesu Tod und Auferstehung zunichte werden.

Die sechs Fenster in der Nordwand sind zwar ebenfalls bewegt durch ein fantasievolles Spiel mit ineinander verwobenen gerundeten Formen, es herrscht jedoch mehr Ruhe. Schließlich werden hier keine Geschichten erzählt und keine Handlungsabläufe dargestellt. Es gibt keine deutliche Trennung zwischen dem Hintergrund und dem Thema „christliche Symbole“. Der Hintergrund besteht nur selten aus regelmäßigen viereckigen Scheiben; Rundformen, Bögen und schräg verlaufende Schnitte überwiegen.

Die fünf Fenster in der Kapelle sind figürlich gestaltet. Sie haben einen überwiegend blauen Grund aus Rechteckscheiben, von dem sich jeweils eine Standfigur abhebt. Christus in der Mitte wird flankiert von den vier Evangelisten mit ihren Symbolfiguren. Links Matthäus (geflügelter Mensch) sowie Markus (geflügelter Löwe), rechts Lukas (geflügelter Stier) und Johannes (Adler).

In der Darstellung der Symbolfiguren beweist Marianne Aatz einen großen Einfallsreichtum: Die Wesen zeigen die ganze Leichtigkeit, über die sie dank ihrer Flügel verfügen. Schwungvoll umspielen sie die Beine der Standfiguren und es bleibt ungewiss, ob sie sich gerade in die Lüfte erheben oder sich niederlassen.

Wenn wir die Fenster in der Kapelle mit den sonnigen Fenstern auf der Südseite der Kirche vergleichen, fällt Folgendes auf: Dort dominiert die Farbe Rot, unterstützt durch eine breite Palette warmer Töne in Orange und Gelb. Auch Grün, kräftiges Blau, Lila und Violett bis hin zu Schwarz sind zu finden, nur Weiß und blasses Blau sind reserviert für das Kreuz Christi, für die Kreuze der Apostel in seiner Nachfolge, für sein Leiden, seinen Tod und die Auferstehung.

In der Kapelle dominiert Blau in verschiedenen Schattierungen, dafür tragen alle Figuren helle Gewänder; es gibt wenig kräftige Farben, nur das leuchtende Rot der Heiligenscheine sticht deutlich heraus und wir erinnern uns: Auf der Südseite ist Rot die Farbe der Liebe Gottes.

Christus ist als König dargestellt. Er steht auf dem Erdenkreis, auf seinem Haupt die Königskrone. Mit der linken Hand weist er die Weltkugel mit dem Kreuz vor; mit seiner Rechten macht er eine segnende Gebärde. Sein Gürtel und eine Gewandbordüre formen ein Kreuz. So stellt Marianne Aatz einen Bezug zu dem Jesus-Symbol in den Fenstern der Südseite her.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Marianne Aatz in dieser Kirche ein beeindruckendes Gesamtkunstwerk geschaffen hat, wobei sie Ideenreichtum und Perfektionismus miteinander vereint. Die Wahl der Farben ist nie zufällig; sowohl funktionale Aspekte (wo wird Licht gebraucht?) als auch die psychologische Wirkung sind stets mitbedacht.  Ihre Bilder können manchmal ruhig sein, aber nie ohne Leben. Das betrifft nicht nur die beschwingte Linienführung, es geht bis in die Farbe hinein. Marianne Aatz benutzt bewusst Antikglas, bei dem auch im Innern einer farbigen Scherbe oft noch Schattierungen zu entdecken sind.